„Marx, Moses und die Heiden in der Offenen Stadt“ (2) SLEIPNIR (Zeitschrift für Kultur, Geschichte und Politik, Heft 3. Mai/Juni, 1995)
Zweitausend Jahre des jüdisch-christlichen Monotheismus haben der abendländischen Kultur ihren Stempel aufgedrückt. Angesichts dieser Tatsache sollte es nicht überraschen, daß eine Verherrlichung des Heidentums und Kritik an der Bibel und der jüdisch-christlichen Ethik, insbesondere wenn sie vom rechten Flügel des gesellschaftlichen Spektrums ausgehen, in der Offenen Stadt wahrscheinlich wenig Anklang finden. Es genügt ein Blick auf die amerikanische Gesellschaft, wo Angriffe auf jüdisch-christliche Prinzipien häufig mit Argwohn betrachtet werden und wo die Bibel und der biblische Mythos von Gottes "auserwähltem Volk" noch eine bedeutsame Rolle in bezug auf das amerikanische Verfassungsdogma spielen.1 Obschon der Offenen Stadt die jüdisch-christliche Theologie heute gleichgültig geworden ist, weisen gleichwohl die aus der jüdisch-christlichen Ethik hergeleiteten Prinzipien, wie "Frieden", "Liebe" und "weltumfassende Brüderlichkeit", noch alle Anzeichen gesunder Vitalität auf. Viele liberale und sozialistische Theoretiker in der Offenen Stadt haben zwar einerseits den Glauben an die jüdisch-christliche Theologie aufgegeben, es aber andererseits nicht für klug gehalten, die von der Bibel gelehrte Ethik aufzugeben.
Wie immer man denken mag über die dem Begriff "europäisches Heidentum" anhaftende, scheinbar veraltete, bedrohliche oder gar abschätzige Bedeutungsnuance, es ist wichtig festzuhalten, daß diese Bedeutungsnuance weitgehend dem istorischen und politischen Einfluß des Christentums zuzuschreiben ist. Etymologisch stellt das Wort Paganismus2 (Heidentum) einen Sinnzusammenhang mit den Glaubensinhalten und Ritualen her, die in den Dörfern und ländlichen Gebieten heimisch waren. Aber Paganismus in seiner modernen Version kann auch ein bestimmtes Lebensgefühl und einen way of life ausdrücken, die mit dem jüdisch- christlichen Monotheismus unvereinbar bleiben. Bis zu einem gewissen Grade sind die europäischen Völker noch immer pagani geblieben, weil ihr nationales Gedächtnis, ihre geographische Verwurzelung und vor allem ihre volkliche Eingebundenheit, die oft Assoziationen zu überkommenen Mythen, Märchen und Brauchtumsformen herstellen, die eigentümlichen Merkmale vorchristlicher Themen aufweisen. Selbst der in moderner Zeit in Europa wiederauflebende Separatismus und Regionalismus scheint aus dem Urgrund heidnischer Restbestände zu wachsen. Die Diktatur der christlichen Ideologie hat, wie Markale bemerkt, "die altüberkommenen Bräuche nicht erstickt; sie hat sie lediglich in den Schattenbereich des Unterbewußten verbannt".3 Die Tatsache, daß ganz Europa heute von einer Welle des Nationalismus erfaßt wird, zeugt von der Beständigkeit des im Heidentum wurzelnden historischen Stammesgedächtnisses.
Mit der Konsolidierung des Christentums im europäischen Kulturraum begannen die polytheistischen Glaubensinhalte zu schwinden. In den nachfolgenden Jahrhunderten kam die europäische Systematik der Sinndeutung, sei es in der Theologie oder später in Soziologie, Politik oder Geschichte allmählich unter den Einfluß der jüdisch-christlichen Weltanschauung. In seinem Buch The New Polytheism4 bemerkt David Miller, daß durch den jüdisch-christlichen Monotheismus die Ausgangspositionen der Europäer sowohl in den Sozialwissenschaften, als auch in der geistigen Erfassung des Weltbildes schlechthin beträchtlich verschoben wurden.5 Wer kann uns angesichts dieser Verschiebungen noch unserer eigenen Objektivität versichern, zumal wenn wir versuchen, die heidnische Welt durch die Brille des postmodernen jüdisch-christlichen Menschen zu verstehen? Es ist kein Wunder, daß der Beseitigung des Heidentums in Europa die naturwissenschaftliche Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeit beeinträchtigende Verwerfungen auf dem Fuß folgten. Mit der Konsolidierung des jüdisch-christlichen Glaubens wurden die Welt und die weltlichen Phänomene der Herrschaft starrer Begriffe und Kategorien unterworfen, die ihrerseits von der Logik des Entweder-Oder, Wahr-oder- Falsch, Gut-oder-Böse determiniert wurden und Zwischentönen nur selten Raum gaben. Es erhebt sich allerdings die Frage, ob in der Offenen Stadt - einer Stadt voller vielgestaltiger Optionen und komplexer sozialer Differenzen, die alle Denkschablonen verabscheut - diese Art des Denkansatzes denn noch wünschenswert ist. Es ist zweifelhaft, ob dieser jüdisch-christliche Monotheismus noch immer eine brauchbare Lösung für das Verständnis der immer komplexeren sozialen Wirklichkeit zu bieten hat, welcher der moderne Mensch der Offenen Stadt gegenübersteht. Ähnliche Verwerfungen verursachte auch der Export christlich-jüdischer Werte in die fernsten Winkel des Erdballes, wo er zu Ergebnissen führte, die den ursprünglich von den Europäern gehegten Absichten zuwiderliefen und unter den außereuropäischen Völkern Ausbrüche giftigen Hasses hervorriefen. Eine Reihe von Autoren hat recht überzeugend dargelegt, daß der christliche Ökumenismus, oft als "des weißen Mannes christliche Bürde" hochgelobt, eine führende Rolle bei der Ausbreitung des Imperialismus, Kolonialismus und Rassismus in der Dritten Welt spielte.6
In der modernen Offenen Stadt hat der jahrhundertelange, durchdringende Einfluß des Christentums wesentlich zu der Ansicht beigetragen, jegliche Verherrlichung des Heidnischen oder auch nur nostalgische Rückbesinnung auf die griechisch-römische Ordnung sei absolut skurril oder bestenfalls mit der zeitgenössischen Gesellschaft unvereinbar. Erst kürzlich jedoch hat der katholische Philosoph Thomas Molnar, der einer kulturellen Wiederbelebung des Heidnischen offenbar aufgeschlossen gegenübersteht, daraufhingewiesen, daß die modernen Anhänger des Neuheidentums (Neopaganismus) ehrgeiziger seien als ihre Vorläufer. Molnar schreibt, das Ziel einer heidnischen Erneuerung müsse nicht die Rückkehr zur Anbetung antiker europäischer Gottheiten bedeuten, vielmehr käme darin das Bedürfnis zum Ausdruck, eine andere Kultur zu schaffen, oder besser noch, eine modernisierte Version des "wissenschaftlichen und kulturellen Hellenismus", der einst für alle europäischen Völker eine gemeinsame Bezugsgröße darstellte. Und mit offensichtlichem Wohlwollen für die polytheistischen Bestrebungen einiger moderner heidnischer Konservativer fügt Molnar hinzu: nicht um die Eroberung des Planeten geht es, sondern um das Auffinden eines Weges zur Förderung einer oikumena der Völker und Kulturen, die ihre Ursprünge neu entdeckt haben. Es darf vermutet werden, daß die Herrschaft nicht staatsgebundener Ideologien, namentlich des amerikanischen Liberalismus und des sowjetischen Sozialismus, dann zu Ende gehen würde. Dem Glauben an ein rehabilitiertes Heidentum liegt das Bestreben zugrunde, den Völkern ihre echte Identität, wie sie vor der monotheistischen Korrumpierung bestand, zurückzugeben.7
Eine so ehrliche Aussage eines Katholiken mag auch ein erhellendes Licht werfen auf die Desillusionierung unter den in ihren Offenen Städten lebenden Christen. Die von Wohlstand und Reichtum strotzende säkularisierte Welt scheint die der Menschenseele eigenen Bedürfnisse nicht abgetötet zu haben. Wie sonst wäre es zu erklären, daß Scharen junger Leute aus Europa und Amerika es vorziehen, sich zu den heidnischen indischen Aschrams aufzumachen, statt zu ihren eigenen, vom jüdisch-christlichen Monotheismus ins Zwielicht gerückten heiligen Orten zu pilgern?
Bemüht, die Legende von der heidnischen "Rückständigkeit" zu entkräften, und in dem Bestreben, ein europäisches Heidentum im Geiste der Moderne neu zu definieren, haben die zeitgenössischen Protagonisten des Heidentums große Anstrengungen unternommen, dessen Sinngehalt in ansprechenderer und wissenschaftlicherer Form zu präsentieren. Einer ihrer freimütigsten Vertreter, der französische Philosoph Alain de Benoist, faßt die moderne Sinngebung des Heidentums wie folgt zusammen: „Das Neuheidentum, wenn es so etwas wie Neuheidentum gibt, stellt sich nicht als das Phänomen einer Sekte dar, wie einige seiner Gegner, aber auch einige Gruppen und Clans, manchmal wohlmeinend, manchmal unbeholfen, oft komisch und gänzlich am Rande angesiedelt, sich einbilden... Was uns heute besorgt macht, zumindest hinsichtlich der Vorstellung, die wir von ihm haben, ist weniger das Verschwinden des Heidentums, als vielmehr seine Wiederauferstehung in primitiver und infantiler Form, anverwandelt jener "zweiten Religion", die Spengler mit gutem Grund als typisches Merkmal untergehender Kulturen beschrieb; Erscheinungen, von denen Julius Evola schreibt, daß sie "im allgemeinen einem Phänomen der Flucht, der Entfremdung und der konfusen Ersatzhandlungen ohne ernsthafte Rückwirkung auf die Realität entsprechen".8
Das Heidentum als eine Fülle bizarrer Kulte und Sekten ist nicht das, was moderne heidnische Denker sich darunter vorstellen. Schon vor einem Jahrhundert bemerkte der heidnische Philosoph Friedrich Nietzsche, daß eine Nation, deren Entartung und Entwurzelung schon zu weit fortgeschritten ist, ihre Energie in verschiedenen Formen orientalischer Kulte ausleben muß, und gleichzeitig "muß sich auch sein Gott verändern".9 Heute klingen Nietzsches Worte prophetischer denn je. Im Angesicht der Dekadenz und des grassierenden Hedonismus suchen die Massen der Offenen Stadt nach Stätten alternativer Zuflucht in der Umgebung indischer Gurus oder inmitten einer Heerschar orientalischer Propheten. Aber jenseits der abendländischen Schein-Transzendenz und hinter dem Selbsthaß des Abendländers, begleitet von infantiler Vernarrtheit in orientalische Talismanen, verbirgt sich mehr als nur eine vorübergehende Abstumpfung gegenüber dem christlichen Monotheismus. Wenn moderne Kultgemeinden sich der Entdeckung eines pervertierten Heidentums hingeben, so mögen sie durchaus auf der Suche nach jenem Geheiligten sein, das von dem herrschenden jüdisch-christlichen Diskurs in den Untergrund abgedrängt wurde.
Hat der Monotheismus, wie einige heidnische Denker offenbar unterstellen,10 in Europa eine fremdartige Anthropologie eingeführt, die für die Ausbreitung der egalitären Massengesellschaft und den Aufstieg des Totalitarismus verantwortlich ist? Einige Autoren stützen diese These mit dem Argument, daß die Wurzeln der Tyrannis nicht in Athen oder Sparta lägen, daß diese sich vielmehr in Jerusalem aufspüren ließen. In seinem Dialog mit Molnar, L'eclipse du sacré, erklärt Benoist, daß der Monotheismus die Idee der absoluten Wahrheit postuliere; er sei ein System, in dem der Feind mit dem Bösen assoziiert werde und in dem der Feind physisch zu vernichten sei, siehe z.B. Deuteronomium XIII. Kurzgefaßt, sagt de Benoist, der jüdisch-christliche Universalismus schuf vor zweitausend Jahren die Voraussetzungen für die Entstehung der modernen egalitären Verirrungen und ihrer modernen weltlichen Ableger, einschließlich des Kommunismus. Daß es "gottlose" totalitäre Regime gibt, ist offenkundig, als Beispiel diene die Sowjetunion.
Nichtsdestoweniger sind diese Regime die Erben christlichen
Denkens im Sinne jener Ausführungen, in denen Carl Schmitt nachwies, daß es sich bei der Mehrheit der modernen politischen Prinzipien um säkularisierte theologische Prinzipien handelt. Sie holen ein streng abgeschirmtes Gebäude auf den Boden der Weltlichkeit herab; die Seelenpolizei weicht der Staatspolizei; den Religionskriegen folgen ideologische Kriege.11
Ähnliche Ansichten wurden schon früher von dem Philosophen Louis Rougier sowie dem Politikwissenschaftler Vilfredo Pareto vertreten, die beide der "alten Garde" der heidnischen Denker angehören, deren philosophische Forschung auf die Rehabilitierung des europäischen politischen Polytheismus zielte. Sowohl Rougier als auch Pareto stimmen darin überein, daß der Judaismus und seine pervertierte Form, das Christentum, in das europäische konzeptionelle Rahmengefüge eine fremdartige Argumentationsform einführten, die das Wunschdenken, den Utopismus und die Fieberphantasien um ein statisches Zukunftsbild im Gefolge hatte.12 Ähnlich dem später auftretenden Marxismus muß der Christenglaube an den Egalitarismus einen gewaltigen Einfluß auf die darbenden Massen Nordafrikas und Roms ausgeübt haben, versprach er doch Gleichheit für die "Elenden dieser Erde", das odium generis humani und alle proles dieser Welt. In einem in seinem Buche Celsus contre les chrétiens enthaltenen Kommentar über die christlichen Urkommunisten erinnert Rougier an die Tatsache, daß das Christentum schon sehr früh unter den Einfluß sowohl des persischen Dualismus als auch der eschatologischen Visionen der jüdischen Apokalypse kam. Demgemäß ergaben sich die Juden und später die Christen dem Glauben, daß die Guten, die in der Gegenwart leiden, in der Zukunft belohnt werden. In der Offenen Stadt wurde eben dieses Thema später eingeflochten in die moderne sozialistische Doktrin, die das weltliche Paradies verhieß. "Zwei Reiche stehen nebeneinander im Räume," schreibt Rougier, "eines beherrscht von Gott und seinen Engeln, das andere von Satan und Belial."13
Die Folgen dieser weitestgehend dualistischen Weltvision schlugen sich im weiteren Verlaufe in der christlich-marxistischen Projektion des politischen Feindbildes nieder, in dem die Feinde immer unrecht hatten, die christlich-marxistische Haltung hingegen als richtig apostrophiert wurde. Für Rougier konnte griechisch-römische Intoleranz niemals an derart totale und absolute Ausmaße der religiösen Ausschließlichkeit
heranreichen: Die Intoleranz gegenüber Christen, Juden und anderen Sekten war sporadisch und richtete sich gegen ganz bestimmte religiöse Bräuche, die man als Verstöße gegen das römische Gewohnheitsrecht ansah (z.B. die Beschneidung, Menschenopfer, sexuelle und religiöse
Orgien).14 Indem sie die Verbindung zu ihren polytheistischen Wurzeln zerschnitten und sich dem Christentum zuwandten, begannen die Europäer, sich allmählich jene Weltsicht anzueignen, in der die Gleichheit der Seelen dominierte, verbunden mit der Forderung, Gottes Evangelium unter allen Völkern ohne Ansehen ihres Glaubens, ihrer Rasse oder Sprache zu verbreiten (Paulus; Galaterbrief, 3:28). In
den nachfolgenden Jahrhunderten durchdrang dieser periodisch
wiederkehrende Egalitarismus in säkularisierter Form das Bewußtsein zunächst des abendländischen Menschen und später dann der gesamten Menschheit.
Alain de Benoist schreibt: "Gemäß dem klassischen Ablauf des zyklischen Aufstiegs und Niedergangs hat das Egalitätsthema unsere Kultur durchdrungen vom Stadium des Mythos (Gleichheit vor Gott) bis zum Stadium der Ideologie (Gleichheit vor dem Volke), um danach überzugehen in das Stadium der "wissenschaftlichen Anmaßung" (der Gleichheitsbehauptung als Faktum). Kurz gesagt, vom Christentum zur Demokratie und danach zum Sozialismus und Marxismus. Der schwerwiegendste Vorwurf, den man überhaupt gegen das Christentum formulieren kann, ist, daß es diesen Egalitätszyklus einleitete, indem es in das europäische Denken eine revolutionäre Anthropologie mit universalistischem und totalitärem Charakter einführte."15
Man könnte sicherlich ins Feld führen, daß der jüdischchristliche Monotheismus so, wie er den Universalismus und Egalitarismus in sich birgt, auch die religiöse Ausschließlichkeit, die unmittelbar aus dem Glauben an die eine, unbestrittene Wahrheit folgt, für sich beansprucht. Die Konsequenz des christlichen Glaubens an die ontologische Einzigkeit, daß es nämlich nur einen Gott und daher auch nur eine Wahrheit gibt, hat natürlich über die Jahrhunderte hinweg die Christen in die Versuchung geführt, alle anderen Wahrheiten und Werte zu verwischen oder herunterzuspielen. Man kann argumentieren, daß, wenn eine bestimmte Sekte ihre Religion als den Schlüssel zur Lösung des im Universum verborgenen Rätsels verkündet und wenn diese Sekte darüber hinaus den Anspruch auf Universalität erhebt, der Glaube an die Gleichheit sowie die Unterdrückung aller menschlichen Ungleichheiten sich hieraus zwingend ergeben. Demgemäß konnte christliche Intoleranz gegen "Ungläubige" stets als legitime Antwort an diejenigen, die von dem Glauben an Jahwes Wahrheit abfielen, gerechtfertigt werden. So auch erklärt sich der christliche Begriff der "falschen Duldsamkeit" der Christen gegenüber anderen Glaubensbekenntnissen, ein Begriff, dessen Bedeutung besonders in der christlichen Haltung gegenüber den Juden erkennbar wird. Obgleich fast identisch in ihrer Anbetung des einen Gottes, konnten die Christen sich doch niemals ganz mit der Tatsache abfinden, daß sie damit auch die Gottheit derer verehren mußten, die sie von vorn herein als Volk der Gottesmörder verabscheuen mußten. Während ferner das Christentum stets eine universalistische, allen Erdenbürgern offenstehende Religion gewesen ist, ist der Judaismus eine ethnische, auf das Volk der Juden beschränkte Religion geblieben.16 Man könnte argumentieren, daß der Judaismus seinen eigenen Nationalismus sanktioniert, ganz im Gegensatz zum Nationalismus der Christen, der ständig die christlich-universalistischen Grundsätze Lügen straft. "Angesichts dieser Tatsache", schreibt de Benoist, "kann der christliche Antisemitismus mit gutem Grund als eine Neurose bezeichnet werden."17
Könnte es sein, daß das endgültige Verschwinden des Antisemitismus, wie auch des virulenten Volksgruppenhasses, erst durch den Verzicht auf den christlichen Universalitätsglauben ermöglicht würde?
Fußnoten
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Milton Konvitz: Judaism and the American Idea, Cornell University Press, Ithaca and London 1978, S. 71; Jerol S. Auerbach, "Liberalism and Other Hebrew Prophets" in Commentary, v: 84, nr. 2, August 1987, S. 58; vgl. hierzu auch Ben Zion Bokser: "Democratic Aspirations in Talmudic Judaism" in: Judaism and Human Rights, hrsg. von Milton Konvitz, W. W. Norton and Co. Inc., New York 1972. Auf S. 146 schreibt Bokser: "Der Talmud schrieb vor, daß jedermann, dem eine esetzesübertretung vorgeworfen wird, ein faires Gerichtsverfahren zuteil werden muß und daß vor dem Gesetz alle Menschen, ob König oder Bettelmann, streng gleichberechtigt sein müssen." Dazu auch Ernst Tröltsch: "Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen", Aalen 1922, bzw. Scientia Verlag, 1965, S. 768: 'Naturrechtlicher und liberaler Charakter des freikirchlichen Neucalvinismus", S. 762-772, bzw. Georg Jellinek: "Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte", Duncker und Humblot, Leipzig 1904. Auf S. 46 schreibt Jellinek, daß die Idee, die unveräußerlichen, angeborenen und geheiligten Rechte des Individuums gesetzlich zu verankern, nicht politischen, sondern religiösen Ursprungs sei. Ferner Werner Sombart: "Die Juden und das Wirtschaftsleben", Verlag Duncker und Humblot, Leipzig: 1911. Auf S. 44 schreibt Sombart: "was wir Amerikanismus nennen, ist ja zu einem sehr großen Teile geronnener Judengeist". ↩
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Das im Englischen gebräuchliche "paganism" - "Heidentum" stammt vom lateinischen "paganus" - "ländlich", bzw. "pagus" - "Dorf(gemeinde)" ab; Anm. d. U. ↩
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Jean Markale: "Aujourd'hui, l'esprit paien?", in: L'Europe Paiènne, Seghers, Paris 1980, S. 16. Das Werk enthält Betrachtungen über das slawische, keltische, lateinische und griechisch-römische Heidentum ↩
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David Miller: The New Polytheism, Harper and Row, New York 1974. ↩
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ebenda S. 7 u. passim ↩
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Serge Latouche: L'occidentalisation du monde, La Découverte, Paris 1988. ↩
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Thomas Molnar: La tentation paiènne, Contrepoint vom 15. Juni 1981, S. 53 ↩
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Alain de Benoist: Comment peut-on être paien?, Albin Michel, Paris 1981, S. 25 ↩
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Friedrich Nietzsche: Der Antichrist, Verlag Das Bergland- Buch, Salzburg, Stuttgart 1952, S. 979 ↩
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Alain de Benoist: L'eclipse du sacré, La Table ronde, Paris 1986; insbes. der Abschnitt "De la sécularisation", S. 198-207 ↩
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Ebenda S. 233; dazu ferner Carl Schmitt in: Die politische Theologie, Dunker und Humblot, München und Leipzig 1922, S. 35-46. Schmitt schreibt auf S. 36, daß "alle namhaften Konzeptionen in der modernen politischen Wissenschaft säkularisierte theologische Konzeptionen" darstellen. ↩
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Gerard Walter: "Les sources judaiques de la doctrine communiste chrétienne" in: Les origines du communisme, Payot, Parisl931), S. 13-65; vgl. hierzu Vilfredo Pareto: "Les systèmes métaphysiques-communistes", in: Les systèmes socialistes, Marcel Girard, Paris 1926, S. 2-45, und Louis Rougier: "Le judaisme et la Révolution sociale", in: La mystique démocratique, op.cit., S. 184-187 ↩
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Louis Rougier: Celsus contre les chrétiens, Copernic, Paris 1977, S. 67; ferner Sanford Lakoff: "Christianity and Equality", in J. Roland Pennock und John W. Chapaman (Hrsg.): Equality, Atherton Press, New York 1967, S. 128-130 ↩
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a.a.O, S. 89 ↩
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Alain de Benoist, "L'Eglise, L'Europe et le Sacré" in: Pour une renaissance culturelle, Copernic, Paris 1979, S. 202 ↩
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Louis Rougier, Celse, S. 88. ↩
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Alain de Benoist, Comment-peut on être paien?, S. 170 ↩